Auf relativ kleinem Raum finden wir in der Napfregion vieles, was die Schweiz landschaftlich und naturräumlich ausmacht: Von weiten Mittelland-Ebenen über teilweise noch sehr ursprüngliche Flusstäler, sanfte Hügellandschaften bis hin zu den Sömmerungsgebieten rund um die steilen Krächen und Schluchten im Napfbergland. Die einst von Stadtforschern idyllisch als «Stille Zone Mitte» bezeichnete Region liegt zwar mitten in Schweiz. Und doch liegt sie am Rand etablierter Handlungsräume.

Aufgrund der unwegsamen Topographie der Napfregion wurden insbesondere die höheren Lagen im Napfbergland erst spät erschlossen. Grossräumig wurde das dünn besiedelte Gebiet mit seinem Umland vor 15 Jahren im «Städtebaulichen Portrait der Schweiz» des ETH-Studios Basel gar als «Stille Zone» bezeichnet: Ein grosses Naherholungsgebiet für die umliegenden Städte. Ein «Puffer» der nicht verbindet, sondern die dichter besiedelten urbanen Gebiete der Städtenetze Bern, Aarau-Olten und Zentralschweiz gegeneinander abgrenzt.

Bild: ETH Studio Basel / 2005

Es war die Aussenperspektive der urbanen Schweiz: Die «Stille Zone Mitte» vereinige «vier sehr unterschiedliche, vorwiegend landwirtschaftlich ausgerichtet stark introvertierte Gebiete: das Emmental, den Oberaargau, das Entlebuch und das Luzerner Hinterland.» Mit Raumtypen wie «Metropolitanregionen», «Alpine Resorts» oder «Alpine Brachen» bezeichneten die Stadtforscher für das gesamte Land Gebiete mit Entwicklungspotenzialen und Gebiete, welchen diese fehlen würden. Der Aufschrei war besonders in den Alpentälern gross. Die Bezeichnung «Brache» wenig schmeichelhaft. Auch die Region Bern fühlte sich von der umstrittenen Raumeinteilung düpiert, da die Bundesstadt und ihr Umland – anders als etwa Basel, Genf-Lausanne und Zürich – nicht zu den Metropolitanregionen gezählt, sondern als «Städtekranz» klassifiziert wurde. Das Stadtberner Online-Magazin Journal B titelte: «Ist Bern ein Kaff?»

Raumanalyse als Provokation und Impulsgeber

Mit der Gründung des Vereins Hauptstadtregion Schweiz (2010) wollte die Grossregion Bern in der Folge an Ausstrahlung und Profil gewinnen – die Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Wallis als «innovativen Lebens- und Wirtschaftsraum von nationaler und internationaler Bedeutung» positionieren. Das Bestreben den Städtekranz Bern zu institutionalisieren wurde belohnt: Die Bezeichnung «Hauptstadtregion Schweiz» fand später auch Eingang in das von Bund, Kantonen und Städten initiierte Raumkonzept Schweiz (2012). Zusammen mit den Metropolitanräumen wird die Region Bern seither unter «grossstädtisch geprägter Handlungsraum» aufgelistet. Während dem die Region Luzern auf der anderen Seite des Napfs (als Teil des Metropolitanraums Zürich) zu den «Klein- und mittelstädtisch geprägten Handlungsräumen» zählt. Das Napfgebiet? Ein Grenzgebiet, am Rand der Grossregionen.

Bild:  Bundesamt für Raumentwicklung ARE / 2012

Mit etwas Abstand betrachtet, bedeutete das «städtebauliche Portrait» für die Grossregion Bern Provokation und Impulsgeber zugleich. Auch wenn private Organisationen in Studien und Handlungsempfehlungen zuweilen mit Begriffen wie «Alpine Brache» oder «Potenzialarme Räume» provozieren: Sie können beim Benennen von Herausforderungen oder Problemfeldern freier agieren als öffentliche-rechtliche Körperschaften wie Bund, Kantone oder Gemeinden. Das eingangs erwähnte (mittlerweile aufgelöste) ETH-Studio Basel, Avenir Suisse oder auch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) liefern mit ihrer fachlichen Expertise oder durch die Wahrnehmung der Interessensvertretung (SAB) zuverlässig wertvolle Inputs für die Weiterentwicklung der Raumplanung oder auch die Ausgestaltung der raumwirksamen Förderinstrumente.

Periphere Lage – im Zentrum der Schweiz

Obwohl im Herzen der Schweiz: Die Napfregion besteht aus raumplanerischer Sicht zu einem grossen Teil aus «peripherem» ländlichen Raum (Entlebuch und Oberemmental). Gebiete im Luzerner Hinterland, Oberaargau und unteren Emmental gehören aufgrund der Verkehrsanbindung und der kleineren Distanz zu den städtischen Handlungsräumen grösstenteils bereits zum «periurbanen» ländlichen Raum.

Rund um den Napf sind aus nationaler, raumplanerischer Sicht die ländlichen Zentren wie Langnau, Schüpfheim, Willisau oder Wolhusen von Bedeutung. Zentren, «die eine gewisse Distanz zur nächsten Agglomeration und – je nach Distanz – zwischen 10’000 und 2’000 EinwohnerInnen aufweisen.» Gemeinden mit ähnlich wichtigen Zentrumsfunktionen für ihr Umland, wie etwa die Gemeinden Huttwil oder Sumiswald, fallen durch dieses Raster und finden im Kontext des Raumkonzepts Schweiz keine Beachtung. Ausser Acht gelassen wird bei solchen konzeptionellen Überlegungen oft, das nicht Ist-Analysen die Zukunftsperspektiven von Gemeinden oder Regionen festlegen, sondern die Handlungen der in diesen Räumen agierenden AkteurInnen.

Projekt Napfbergland

Ein aktuelles Beispiel wie AkteurInnen in der Region Napf Zukunft gestalten ist das «Projekt Napfbergland». Unterstützt durch die Neue Regionalpolitik (NRP) arbeiten kantonsübergreifend die fünf Napfbergland-Gemeinden Hergiswil, Luthern, Romoos (Beitragsbild), Sumiswald und Trub seit mehr als zwei Jahren zusammen (mittlerweile acht Gemeinden). Es geht um Fragestellungen zur Identität der Dörfer, um Perspektiven von Landwirtschaft, Raumplanung, Tourismus und Mobilität: Was kann gegen das Landgasthofsterben unternommen werden? Wie könnte eine Parkplatzbewirtschaftung in den Napfbergland-Gemeinden aussehen? Zur Diskussion solcher Fragen ist eine jährliche Napfkonferenz geplant, deren erstmalige Austragung Mitte Oktober 2020 coronabedingt vorerst abgesagt und ins Jahr 2021 verschoben werden musste.

Napfringtal als Entwicklungsachse

Um mögliche Zukunftsperspektiven für die Napfregion zu erarbeiten lohnt sich evtl. auch ein Blick auf die Schlussfolgerungen der im Sommer 2020 veröffentlichten Avenir-Suisse-Studie «Zentrumstäler – Die Haupttäler als Entwicklungsachsen des Berggebietes». Die Studienautoren kommen zum Schluss: Die Zentren der Berggebiete sollen in ihren Kernfunktionen gestärkt werden. Gemeinden und Kantone sollen für die Zentrumstäler entsprechend Entwicklungsleitbilder erarbeiten und umsetzen; AkteurInnen vermehrt in funktionalen Räumen denken. Übertragen auf die Napfregion hiesse dies, neben der Intensivierung der interkantonalen Kooperation der Napfbergland-Gemeinden die Vernetzung mit den jeweiligen Zentrumsgemeinden Langnau, Sumiswald, Huttwil, Willisau, Wolhusen und Schüpfheim/Entlebuch im Napfringtal zu stärken. Mit Zentrumsgemeinden, die sich ihrerseits selber stark in Richtung ihrer Kantonshauptstädte orientieren. Ein spannendes, herausforderndes Unterfangen.

Fotos: «Landschaftsräume Napfgebiet» / H. Schacher, perres gmbh
Der Beitrag von Landschaftsräume Napfgebiet erschien als Printversion auch im Landmagazin Lebenslust Emmental (Ausgabe Dezember 2020).