Das Agrarmuseum geht in einer neuen Ausstellungshalle ins digitale Zeitalter. Als Teil der Lern- und Erlebniswelt Burgrain soll diese zum Schweizer Zentrum für die Wissensvermittlung von nachhaltiger Landwirtschaft werden.

Das Agrarmuseum Burgrain macht zum letzten Mal Winterpause. Schwierige Monate liegen hinter ihm, erst im Juli öffnete es wegen Corona wieder seine Türen, mit einem stark abgespeckten Programm. «Die Umsatzeinbussen betragen über 50 Prozent», sagt Museumsleiterin Beatrice Limacher (Beitragsbild). Trotzdem ist sie guter Dinge. Es herrscht sogar regelrecht Aufbruchsstimmung in Alberswil LU.

Denn ab dem nächsten Frühling wird das Museum nicht mehr wiederzuerkennen und ganzjährig geöffnet sein. Die Ausstellung wird total neu konzipiert und das Museum bezieht Räumlichkeiten in einem Gebäude, das zurzeit gleich nebenan erstellt wird. Es mietet sich im Obergeschoss auf 1800 Quadratmetern Fläche bei der regionalen Bio-Vermarktungsplattform RegioFair ein, die dort ihr neues Logistikzentrum baut.

Mehr Bezug zur Aktualität

Bei weitem nicht alle Exponate schaffen es von den alten Gebäuden in die neue Ausstellung. Farbige Zettel markieren Gegenstände, die den «Cut» in die neue Dauerausstellung geschafft haben. Beispielsweise das Käseräf, mit dem früher der Alpkäse ins Tal getragen wurde oder das Käsekessi. Der Hürlimann-Traktor – schon fast ein Schweizer Kulturgut – sowie ein paar andere schwere Geräte stehen bereits in der noch leeren neuen Halle. Ein Kran hob sie vor der Dachschliessung auf den oberen Stock, wo sie  unter einer Plastikfolie geschützt auf ihren Bestimmungsort warten.

In den überfüllt wirkenden, alten Räumlichkeiten kamen höchstens noch die Augen von Landmaschinenbegeisterten oder pensionierten Landwirten zum Leuchten. «Wer keinen Bezug zur Landwirtschaft hat, konnte wenig damit anfangen», sagt Beatrice Limacher. Unbestritten befindet sich hier zwar ein wertvoller Schatz an historischen Objekten aus der Landwirtschaft, der weiterhin für die Öffentlichkeit in den bisherigen Gebäuden als Schaudepot zugänglich sein wird.

Das Agrarmuseum wird künftig im obersten Stock des Neubaus untergebracht.

Die Vergangenheit wird zwar auch künftig thematisiert aber mehr in die Richtung, wie diese den heutigen Alltag beeinflusst. «Das neue Konzept macht das statische Museum zu einer modernen Erlebniswelt rund um landwirtschaftliche Themen», sagt Beatrice Limacher. Die Dauerausstellung stellt sich der überaus anspruchsvollen Grundfrage: «Wer ist Landwirtschaft?» Neu richten sich die Ausstellungsmacher vermehrt an die Konsumentinnen und Konsumenten sowie an Schulklassen.

Sensibilisieren, nicht moralisieren

Mit sogenannten Brennpunkten sollen die komplexen Zusammenhänge der Landwirtschaft spielerisch und verständlich dargestellt werden. Für die museale Umsetzung der Themenbereiche wurde die Szenografie-Agentur Hof3 aus Trubschachen engagiert. Ein Projektteam um Max Eichenberger, Präsident der Stiftung Schweizerisches Agrarmuseum Burgrain, lieferte dabei Themen und inhaltliche Vorstellungen. Letztlich gehe es darum, dass sich der Besucher am Schluss frage, wie er mit seinem eigenen Verhalten die Landwirtschaft beeinflusse. Beatrice Limacher stellt klar: «Wir wollen nicht moralisierend auf die Leute einwirken, sondern diese sensibilisieren.» Schliesslich könne jeder selbst entscheiden, welche Lebensmittel er kaufen wolle. Doch nach dem Besuch der Ausstellung sollte er dann zumindest wissen, was sein Verhalten zum Beispiel für den Boden bedeuten könnte.

Einer von neun Brennpunkten widmet sich diesem. Dabei begibt sich der Besucher unter anderem in einer Maulwurfperspektive in eine intakte Bodenstruktur, ehe er seinen Kopf durch ein Loch streckt und auf die Heuwiese darüber blickt. Nebenan schaut er hingegen auf einen verbauten Boden in der Stadt. Digitale Hilfsmittel helfen dabei, die komplexen Zusammenhänge zu verbinden. Dazu wurde eine Museums-App programmiert, welche die Besucher via Mobiltelefon durch die Ausstellung begleitet.

Spiel als roter Faden

Zonen mit den Brennpunkten bilden einen roten Faden durch Themen wie Qualitätsanforderungen bei Obst, Stoffflüsse, Klima, Biodiversität, Agrargeschichte oder Globalisierung. Das Ganze hat eine spielerische Komponente. An jedem Brennpunkt stellt ein porträtierter Bauer oder eine Bäuerin im Video eine Frage zum jeweiligen Thema. Die Antworten werden anonym ausgewertet und liefern am Ende der Ausstellung Anhaltspunkte zum eigenen Verhalten. «Es soll aufgezeigt werden, dass es jeder selbst in der Hand hat, über die Zukunft der Landwirtschaft zu entscheiden», erklärt Beatrice Limacher.

Lern- und Erlebniswelt Burgrain

Das neue Agrarmuseum im markanten Holzgebäude ist Teil der Lern- und Erlebniswelt Agrovision. Der bereits bestehende Biohof, die Käserei, die Bäckerei, der Biolegehennenstall oder der Lehrbienenstand und vieles mehr waren bisher kaum vernetzt. Sie bilden künftig eine einzige Lernlandschaft zur Landwirtschaft mit grossem Bezug zur Praxis und der Möglichkeit der sinnlichen Erfahrung. Dazu gehören auch Hecken mit einheimischen Sträuchern, eine Obstanlage oder das frisch ausgesäte Dinkelfeld. Hier soll künftig die Bedeutung der Fruchtfolge gezeigt werden. Ausserdem steht im neuen Museum eine grossräumige Schulküche zur Verfügung. Das Ganze soll nämlich fixer Bestandteil im Schuljahr werden. «Die Pädagogische Hochschule Luzern hat für Schulklassen bereits vollständige Lerneinheiten nach Lehrplan 21 ausgearbeitet», erklärt Beatrice Limacher.

Text / Beitragsbild: Landwirtschaftlicher Informationsdienst LID / David Eppenberger