Land- und Waldwirtschaft – die Landnutzung an sich – ist wichtige Grundvoraussetzungen, um die Landschaft wie wir sie heute kennen zu erhalten. Welche Bedeutung hat die Landwirtschaft für die Napfregion? Welche Zukunft hat die (Berg-)Landwirtschaft?

Der Agrarsektor ist in vielen Gemeinden rund um den Napf eine tragende Stütze der lokalen Wirtschaft, der örtlichen Infrastruktur und des Dorflebens. Während die Branche mit vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen schweizweit rund acht Prozent aller Arbeitsplätze sichert, ist dieser Anteil insbesondere in den Napfgemeinden deutlich höher. In Hergiswil am Napf beispielsweise ist 40% der arbeitenden Bevölkerung im Agrarsektor tätig, der zwei Drittel aller Arbeitsplätze stellt. Neben der Erzeugung von Lebensmitteln erbringen landwirtschaftliche Betriebe etliche gemeinwirtschaftliche Leistungen. «Ein wesentliches Koppelprodukt der landwirtschaftlichen Produktion ist die Offenhaltung und Gestaltung der Kulturlandschaft», hielt der Schweizer Bauernverband anfangs 2019 bei seiner Jahresmedienkonferenz in Hergiswil am Napf fest. Der grosse Nutzen für den Tourismus und die Freizeitgestaltung ist unbestritten. Die Landschaftspflege, die Förderung der Biodiversität, die Versorgungssicherheit oder die Belebung des ländlichen Raums haben zwar keinen Preis, aber einen sehr grossen Wert.

Vielfältige Topografie – vielfältige (Käse-)Produkte

Im Napfgebiet sind alle sechs landwirtschaftlichen Produktionszonen vertreten. Der sogenannte landwirtschaftliche Produktionskataster des Bundesamts für Landwirtschaft BLW erfasst Lebensbedingungen und Produktionsverhältnisse, die bei der Anwendung des Landwirtschaftsgesetzes berücksichtigt werden. Die Topografie hat starken Einfluss auf die landwirtschaftlichen Direktzahlungen, die zu einem wesentlichen Teil auf der Zonenzugehörigkeit der Landwirtschaftsflächen beruhen. Neben Tal-, Hügel- und den Bergzonen I – IV finden sich in höheren Lagen der Napfregion auch Sömmerungsgebiete wie z. B. die bekannteren und grösseren Sommerweiden um die Lüderenalp, auf dem Hinterarni oder bei der Ahornalp. Etwas kleinere Gebiete befinden sich auf dem Menzberg oder in der Gemeinde Romoos.

Übersicht landwirtschaftliche Zonen und Sömmerungsgebiete

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So unterschiedlich die Produktionsbedingungen im Napfgebiet sind, so vielfältig sind die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die rund um den Napf produziert werden. Exemplarisch für diese Vielfalt steht die Käseproduktion: Mutschli, frischer Ziger, Schaf-, Ziegen-, Büffelkäse und viele weitere Sorten – es werden nicht nur die drei grossen Schweizer Rohmilch-Käsesorten Emmentaler, Sbrinz und Gruyère hergestellt. Die IG Grenzpfad Napfbergland präsentiert seit dem 20-Jahr-Jubiläum 2018 auf ihrer Webseite www.grenzpfad.ch eine Übersicht der Käsevielfalt und -tradition rund um den Napf, die auch international gesehen einzigartig ist.

Auswirkungen der «Megatrends» auf die Landwirtschaft

Die Landwirtschaft unterliegt einem stetigen Strukturwandel. Sei es wegen politischen Interventionen oder verursacht durch externe, wenig beeinflussbare Faktoren. Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung, demographischer Wandel und Migration sowie Klimawandel: Die vom Rat für Raumordnung ROR (einer ausserparlamentarischen Kommission des Bundes) ausgemachten Megatrends der Raumentwicklung haben auch auf die Schweizer Landwirtschaft grossen Einfluss. Welche Zukunft die (Berg-)Landwirtschaft hat, hängt insbesondere davon ab, wie sich die Akteure an die Veränderungen der klimatischen Bedingungen anpassen können. Die Klimaveränderungen bieten Vor- und Nachteile: Eine grössere Vielfalt an landwirtschaftlichen Kulturen und Anbauformen wird ermöglicht, die Produktivität kann dank der Verlängerung der Vegetationsperioden gar gesteigert werden. Dem gegenüber stehen unvorhersehbare Wetterkapriolen, die die Ernte stark beeinträchtigen können, grössere Schädlingsbefälle infolge milder Winter, ein steigender Bewässerungsbedarf oder versiegende Quellen durch tiefere Grundwasserpegel. Bereits heute wird im Napfgebiet registriert, dass nach Föhn immer häufiger die Bise einsetzt, welche die Böden weiter austrocknet, während früher nach dem Föhn eher der Regen einsetzte.

Agrotouristische Leuchttürme

Damit die Kulturlandschaften rund um den Napf erhalten bleibt, sollten vermehrt Synergien zwischen der Landwirtschaft, der Direktvermarktung und dem Tourismus genutzt werden. Beispielhaft für diesen Ansatz ist etwa die Schaukäserei in Affoltern oder die Agrovision Burgrain in Alberswil, wo Konsumenten die Herkunft der Lebensmittel nachvollziehen und die Werte einer nachhaltigen Landwirtschaft miterleben können. In unmittelbarer Nachbarschaft der Agrovision befindet sich mit dem Schweizerischen Agrarmuseum ein weiterer Leuchtturm, der mit neuen Partnern wie Bioterra, Pro Natura oder Birdlife und einer neuen Ausstellung ab 2020 sich vom statischen Agrarmuseum zu einem lebendigen «Agrarium» entwickeln möchte.

Zukunftsfähige Visionen

Um einen direkteren Zugang zu den Konsumenten zu finden werden neue Vertriebskanäle für landwirtschaftliche Produkte immer wichtiger. Die Napf-Chäsi in Luthern liefert Käse beispielsweise im Monatsabonnement nach Hause. Im Emmental verschmilzt beim Verein «Im Chlee» die Grenze zwischen Konsumenten und Produzenten. Die sogenannte solidarische Landwirtschaft – bisher meist in urbanem Umfeld anzutreffen – bindet hier Konsumenten aktiv in die Produktion der Erzeugnisse ein. Auf dem Balmeggberg in Trub wird ein Hof nach den Prinzipien der Permakultur bewirtschaftet, bei welcher Mischkulturen sich gegenseitig begünstigen und vor Schädlingen schützen. Die ProSpecieRara Arche-Höfe in Huttwil und Luthern wiederum besinnen sich auf vom Aussterben bedrohte Tierrassen und machen so BesucherInnen Wissenswertes über die Erhaltungsarbeit von ProSpecieRara zugänglich. Zwei weitere Arche-Höfe befinden sich auf der anderen Seite des Napfs, in den Emmentaler Gemeinden Landiswil und Schangnau. An zukunftsfähigen Projekten und Visionen für die Landwirtschaft scheint es der Napfregion nicht zu fehlen.

Der Beitrag von Landschaftsräume Napfgebiet erschien als Printversion auch im Landmagazin Lebenslust Emmental (Ausgabe September 2019).

Beitragsbilder: Landschaftsräume Napfgebiet