«Landschaft» bedeutet mehr als die physische, geomorphologische Erscheinung der Erdoberfläche oder die geologische Beschaffenheit im Untergrund: Landschaften erbringen vielfältige Leistungen und bergen Potenziale, die weit über die erdkundlichen Aspekte oder die Landnutzung – beispielsweise die Produktion von Agrarerzeugnissen – hinausgehen. Mit ihren vielfältigen Landschaftskammern gilt dies besonders für die Napfregion.

Landschaften nehmen gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Funktionen wahr. Die im Auftrag des Bundes erstellte Studie «Landschaft zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung» (2018) des Geographischen Instituts der Universität Zürich eruierte als zentrale Landschaftsleistungen: Ästhetischer Genuss, Identifikationsmöglichkeiten («Heimat») und Vertrautheit, Erholung und Gesundheit, Standortattraktivität sowie Biodiversität.

Die «allgemeinen Ziele Natur und Landschaft» des sogenannten «Landschaftskonzepts Schweiz» wurden bereits 1997 umfassend formuliert. Im Zentrum der heutigen Landschaftspolitik des Bundes stehen nicht-materielle Leistungen unserer Landschaften. Die Wahrnehmung dieser Landschaftsleistungen soll verbessert und die vorhandenen Landschaftsqualitäten dauerhaft gesichert werden. Das 2019 aktualisierte Landschaftskonzept Schweiz zielt auf eine Stärkung der Landschaft als Standortfaktor, auf standortgerechte Landnutzungen und auf die Förderung der landschaftlichen Vielfalt. «Landschaft» wird als Lebens-, Kultur- und Wirtschaftsraum verstanden. Die Landschaftsvielfalt wird als Potenzial gesehen. Mit der Inwertsetzung von regionstypischen Natur- und Kulturwerten kann diese Vielfalt zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.

Geologie der Napfregion – neu dokumentiert

Die Schweizer Landschaftspolitik hat sich zu einer Querschnittsaufgabe entwickelt, die verschiedenste Sektoralpolitiken tangiert. Beinahe vergessen geht dabei, dass die geomorphologische Beschaffenheit der Oberfläche und der geologische Untergrund die eigentliche «Hardware» einer Landschaft darstellen. Wie sind die Strukturen entstanden, welchen physikalischen Prozessen unterliegen sie?

Der Untergrund der Napfregion besteht zu einem grossen Teil aus Nagelfluh, Sandstein und Mergel. Im Zuge der Alpenfaltung setzte ein Absenken des heutigen Mittellandes ein. Aus dem Vorlandbecken entstand ein Meer. Das abgelagerte Erosionsmaterial – der Abtragungsschutt der Alpen – wurde durch das Gewicht der überlagernden Meeressedimente verdichtet. Nach dem Rückzug des Meeres wurden die Nagelfluhfächer erodiert. Die heute sichtbaren Oberflächenstrukturen – insbesondere jene in höheren Lagen der Napfregion – sind mehrheitlich durch Wasser-Erosionskraft entstanden, da weite Teile des Napfberglandes in den Hochstadien der Eiszeiten eisfrei waren.

Seit Sommer 2019 sind neu publizierte geologische Blätter der Landesgeologie von Swisstopo erhältlich, die für die gesamte Napfregion detailliertere Auskünfte zur Geologie geben. Lücken in der Molasseregion des Geologischen Atlas der Schweiz 1:25’000 wurden mit dieser Publikation geschlossen. Die geologischen Blätter Sumiswald, Wolhusen und Langnau i.E. gewähren darüber hinaus Einblicke in die Geschichte der Besiedlung. So sind beispielsweise neu entdeckte Burgstellen verzeichnet. Die Publikation ist somit weit mehr als ein Entscheidungsinstrument für Baugrunduntersuchungen oder ein Werkzeug zum Eruieren von Naturgefahren. Sie ist auch eine wichtige Informationsquelle zur Entstehung und Entwicklung der Kulturlandschaft in der Napfregion.

Unterschätztes Potenzial

Obwohl die erdkundlichen Begebenheiten wesentliche Grundlagen für die Formulierung landschaftsrelevanter Ziele sind, wird den Themen Geologie und Geomorphologie im eingangs erwähnten Landschaftskonzept Schweiz kaum Beachtung geschenkt. In der Regionalentwicklung könnten gerade diese Themenbereiche neue Perspektiven für den ländlichen Raum eröffnen. Geologische Aspekte einer Region bleiben oft einem interessierten Fachpublikum vorbehalten, auch wenn sie in der Schweiz da und dort Eingang in touristische Angebote oder ins Regionalmarketing finden. Eine integrale Betrachtungsweise des Themas Geologie – zusammen mit den zentralen Landschaftsleistungen – könnte weit grössere Wirkung erzielen und neue Impulse zur nachhaltigen Entwicklung in ländlichen Räumen setzen.

Voraussetzungen für einen «Geopark Napf»?

Ein mögliches Szenario zur Sensibilisierung für die vorhandenen Landschaftswerte und -potenziale kann die Schaffung von Geopärken sein. Seit 2015 besteht mit der Auszeichnung «UNESCO Global Geopark» ein Format, das geologische Stätten oder Landschaften von internationaler geowissenschaftlicher Bedeutung auszeichnet. Neben den auch in unserem Land verbreiteten UNESCO-Welterbestätten (schweizweit 12) sowie der Kategorie Biosphärenreservate (Bsp. Entlebuch) wurde von der UNESCO ein Label mit internationaler Ausstrahlung geschaffen, das stark auf Kultur- und Naturerbe-Werten basiert. Ein Label, welches über ein reines Regionsmarketing hinausgeht und für eine Region sowohl Orientierungsrahmen wie Zukunftsperspektive zugleich darstellen kann.

Welche Gebiete würden sich grundsätzlich für eine mögliche Geopark-Kandidatur eignen? Der Bericht «International signifikante geologische Werte der Schweiz» (2018) untersuchte im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU sogenannte «Geo-Fokus-Gebiete». Als Teil des «randalpinen Molassegürtels» – der grosse Fluss-Schuttfächerkomplexe als Zeugen der Alpenentstehung und der Klimageschichte umfasst – gehören auch weite Teil der Napfregion einem Geo-Fokus-Gebiet an, das über international bedeutsame Werte verfügt. Auf nationaler Ebene findet das Konzept der Geopärke im Rahmen der Landschaftspolitik (bisher) noch wenig Beachtung. Obwohl die Schweiz über ausserordentliche geologische Werte und mit dem Geopark Sardona sowie dem Geoparco Gole della Breggia bereits über zwei etablierte Geopärke verfügt.

Der Beitrag von Landschaftsräume Napfgebiet erschien als Printversion auch im Landmagazin Lebenslust Emmental (Ausgabe Dezember 2019).

Beitragsbilder: Landschaftsräume Napfgebiet