Landschaftsbijou Napfbergland

Seit 1983 gehört das Napfbergland zum «Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler» – kurz: BLN – das die wertvollsten Landschaften der Schweiz bezeichnet. Das BLN-Gebiet im Herzen des bern-luzernischen Napfgebiets ist in guter Gesellschaft: Im 162 Gebiete umfassenden Inventar sind klingende Namen wie beispielswiese das Val Verzasca, das Binntal oder das Vallée de Joux vertreten.

Das Inventar umfasst Landschaften, die wegen ihrer Schönheit, Eigenart, wissenschaftlichen, ökologischen oder kulturgeografischen Bedeutung als schützenswert eingestuft werden. Neben einzigartigen Landschaften können für die Schweiz typische naturnahe Kulturlandschaften ein BLN-Gebiet sein. Vorausgesetzt, sie enthalten für eine Landesgegend besonders kennzeichnende Oberflächenformen, kulturhistorische Merkmale oder für die Pflanzen- und Tierwelt wichtige Lebensräume. Im BLN-Inventar finden sich zudem Landschaften, die für Menschen eine wichtige Funktion für die Erholung haben oder identitätsstiftend sind. Naturdenkmäler, meist aus erdwissenschaftlicher Perspektive bemerkenswert, sind ebenfalls im Bundesinventar berücksichtigt, das von 1977-1998 etappenweise in Kraft gesetzt und 2017 revidiert wurde.

BLN-Objekt Napfbergland

Das BLN-Gebiet Napfbergland erstreckt sich über 160 Quadratkilometer auf rund einem Drittel der Fläche des Napfgebiets innerhalb der Ringtalung Langnau – Sumiswald – Huttwil – Willisau – Wolhusen –Schüpfheim. Das Prädikat «von nationaler Bedeutung» verdankt das Napfbergland in erster Linie der wenig erschlossenen Kulturlandschaft. Die Siedlungsstruktur ist typischerweise geprägt von Einzelhofsiedlungen. So ist Trub das einzige kompakte Dorf im BLN-Objekt Napfbergland. Sechs Berner und acht Luzerner Gemeinden teilen sich das Landschaftsmosaik aus kleinräumigen Landwirtschaftsflächen und grossflächigem, zusammenhängendem Waldgebiet rund um ihren Hausberg Napf.

Entwässerung in alle Himmelsrichtungen

Das Napfbergland blieb während den Eiszeiten – abgesehen von kleineren lokalen Vergletscherungen – weitgehend eisfrei. Die Gletscher konnten hier die Landschaft nicht so prägen, wie sie dies fast flächendeckend in den Voralpen und in weiten Teilen des Mittellandes taten. Die Oberflächenstruktur mit steilen Felswänden, schmalen Berggraten und durch Bäche und Flüsse eingeschnittenen Tälern ist mit ein Grund für die nationale Bedeutung des Napfberglands. Durch die sternförmigen Talungen rund um den Gipfel des Napfs verläuft die Entwässerung radial. Dieses Entwässerungssystem ist in der Schweiz einzigartig und ein weiteres Argument für die Berücksichtigung im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler.

Wertvolle ökologische Infrastruktur?

Wegen der topografisch schwierigen Zugänglichkeit wurde das Napfbergland erst relativ spät, im Hochmittelalter, besiedelt. Streusiedlungen und viele Einzelhöfe sind von Wald umgeben, die teilweise seltene und wertvolle Waldgesellschaften beherbergen. Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung oder schwer zugängliche Grate sind wichtige Lebensräume für gefährdete und seltene Pflanzen- und Tierarten. Insbesondere die Trockenwiesen und -weiden weisen eine hohe Biodiversität auf, während dem die offenen, intensiv genutzten Flächen eher artenarm sind. Die Grenzlage des Napfgebiets und die vielen Übergangsbereiche zwischen den verschiedenen Ökosystemen bringen es mit sich, dass Untersuchungen zu den Anzahl Arten und damit der Biodiversität weniger aussagekräftig sind als anderswo. Welchen Wert das System dieser vernetzten und funktionsfähigen Lebensräumen – die sogenannte ökologische Infrastruktur – hat, kann entsprechend nur erahnt werden.

Teile des Napfberglands in den Gemeinden Langnau, Sumiswald und Trub – knapp ein Achtel des heutigen BLN-Gebiets – wurden vom Kanton Bern bereits 1979 als «Naturschutzgebiet Napf» ausgewiesen. Der Beschluss zur Unterschutzstellung hebt einerseits landschaftsschützerische Motive hervor, andererseits weist er auf die wissenschaftlich interessanten inselartigen Vorkommen alpiner Arten hin. Darunter sind auch sogenannte Glazialrelikte, die ursprünglich in höheren Gebirgslagen verbreitet waren. Während den Eiszeiten fanden sie im Napfbergland ihre neue Heimat. Der Österreicher Bärenklau beispielsweise hat am Napf den schweizweit einzigen Standort und wächst hier isoliert am westlichsten Ort seiner Verbreitung.

Lebensraum und Erholungsort für Menschen

Seit der Revision der Bundesinventars für Landschaft und Naturdenkmäler 2017 sind die BLN-Objekte detaillierter beschreiben, die Gründe für ihre nationale Bedeutung umfassender dargelegt und objektspezifische Schutzziele benannt. Die oben beschriebenen landschaftlichen Eigenheiten und ökologischen Funktionen sind gemäss den angestrebten Schutzzielen zu erhalten. Generell erbringen Landschaften auch wertvolle Leistungen für Menschen in Form von direkten wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Nutzen. Dieses Verständnis der Landschaftsfunktionen findet sich auch in den Schutzzielen für das Napfbergland wieder. Die standortangepasste landwirtschaftliche Nutzung soll weitergeführt und ihre Entwicklung zugelassen werden. Die Siedlungsstruktur mit Einzelhöfen, Hofgruppen und Alpgebäuden soll in der Substanz und in ihrer Beziehung zum Umraum erhalten werden. Die Ruhe und die Ungestörtheit in den Wäldern und den schwer zugänglichen Gräben sind ebenfalls erhaltenswert und ein Schutzziel. Dies ist nicht nur für ökologisch sensible Gebiete von Bedeutung. Im Napfbergland und im umliegenden Napfgebiet erstreckt sich ein weit verzweigtes Wanderwegenetz, wo BesucherInnen erholsame Stunden verbringen können.

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